
Einen persönlichen und emotionalen Zugang zu Redtenbachers Gedankenwelt gewinnt man durch seine überlieferten Zitate. Ein Element, das die Region in der Redtenbacher aufgewachsen ist verbindet, ist sicher sein erfrischender, offener und innovativer Geist, der überall in seinen Schriften zu spüren ist und dem Techniker auf allen Ebenen bewusst oder vielfach unbewusst noch heute erfolgreich nacheifern.
1. „Wenn man den Maschinenbau mit Erfolg lehren will, muss man wie bey jedem anderen Lehrfach methodisch zu Werke gehen, und darf nicht instinktmässig herumtappen wie es bey Escher und in andern renomierten Construktions Werkstätten der Fall ist“. (Jacob Ferdinand Redtenbacher 1846)
2. “Mit den Prinzipien der Mechanik erfindet man keine Maschine, denn dazu gehört, nebst Erfindungstalent, eine genaue Kenntnis des mechanischen Prozesses, welchem die Maschine dienen soll. Mit den Prinzipien der Mechanik bringt man keinen Entwurf einer Maschine zu Stande, denn dazu gehört Zusammensetzungssinn, Anordnungssinn und Formensinn. Mit den Prinzipien der Mechanik kann man keine Maschine wirklich ausführen, denn dazu gehören praktische Kenntnisse der zu verarbeitenden Materialien und eine Gewandtheit in der Handhabung der Werkzeuge und Behandlung der Hülfsmaschinen. Mit den Prinzipien der Mechanik betreibt man kein industrielles Geschäft, denn dazu gehört eine charakterkräftige Persönlichkeit und gehören commercielle Geschäftskenntnisse.“ (1848, aus dem Vorwort zu: Resultate aus dem Maschinenbau )
3. „Mir liegt die Kultur des industriellen Publikums im allgemeinen am Herzen. In der Anwendung der Naturkräfte hat man in der Tat bereits eine große Virtuosität erreicht, aber an der humanen Entwicklung des industriellen Publikums fehlt es noch sehr.“
4. “.. Übrigens muß ich Ihnen gestehen, daß mich diese Steuerungsgeschichten der Dampfmaschine und die ganze Maschine selbst schon seit langer Zeit nicht mehr interessiert. Auf ein paar Prozent Brennstoff mehr oder weniger kommt es nicht an, und mehr kann man durch derlei Tüfteleien nicht gewinnen. Ich halte es von nun an für lohnender, sich über die Wärme den Kopf zu zerbrechen und unseren jetzigen Dampfmaschinen den Garaus zu machen und das wird hoffentlich in nicht gar zu ferner Zeit geschehen, indem das Wesen und die Wirkungen der Wärme allmählich zur Klarheit kommen. Die Kapitalerfindung muß freilich erst noch gemacht werden, damit … namentlich diese Maschinen ein mäßiges Volumen erhalten; aber das alles wird sich wohl finden, wenn man einmal über das innere Wesen der Sache ganz ins reine gekommen ist …“( Redtenbacher 1856, zitiert nach: Propyläen Technikgeschichte, 4. Bd.,S.53)
Anm.: Die Schüler aus seiner Karlsruher Schule Eugen Langen (Partner von August Otto), Heinrich von Buz (Mitbegründer MAN) und Carl Benz haben diese Vision Redtenbachers rasch verwirklicht.
5. „ Die Mechanik ist die einzige wahre und dauernde Basis für alle erklärenden Naturwissenschaften, ja des ganzen wissenschaftlichen Aufbaues.” (1859)
Zitate von Redtenbacher ( nach dem Vortrag von Prof. Karl Lindner TH Graz 1959)
1. „Meine Bestrebungen als Lehrer richten sich nicht allein auf die wissenschaftliche Theorie der Maschinen, mir liegt die Kultur des industriellen Publikums im allgemeinen am Herzen.“
2. „Wenn die Gebildeten den gegenwärtigen Zustand der Industriellen roh nennen, so haben sie recht; wenn aber jene glauben, es vertrage sich eine echte Bildung nicht mit einer industriellen Tätigkeit, dann haben sie unrecht. Leider ist das die vorherrschende Ansicht.“
3. „ Der Arzt kann einen dreifachen Standpunkt haben: Er treibt sein Geschäft , um Geld zu verdienen, oder weil ihn die wissenschaftliche Seite anzieht, oder aus rein humaner Absicht, um den Menschen wohltätig zu sein. Liegt es etwa im Wesen und in der Natur der industriellen Tätigkeit, daß diese bloß allein des Gewinnes halber tätig ist? Gibt es für sie keinen wissenschaftlichen, keinen humanen Standpunkt? Nur Böswilligkeit und Beschränktheit kann dies behaupten.“
4. „ Ich hoffe, den Leuten noch den Beweis unter die Nase zu halten, daß die Mathematik kein Luxus ist, und daß man mit derselben im Maschinenbau etwas leisten kann, vorausgesetzt, daß man vom Praktischen was versteht und genau weiß, was fürs Leben notwendig ist.“
5. „ Für meine zukünftige Tätigkeit habe ich einen weitläufigen Plan. Dieser Plan besteht darin, das ganze Maschinenfach auf sichere, leicht anwendbare Regeln zurückzuführen.“
Zitate Karl Lindner TH Graz 1959 zur Technik:
„ Der Techniker von damals wurde eben nur als ein besserer Schlosser gewertet und dieses Vorurteil konnte nur ganz langsam, eigentlich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts beseitigt werden.“
„Wo immer auf dem Kontinent zu Beginn des 19. Jahrhunderts Maschinenanlagen aufgestellt wurden, so mussten diese in England bestellt, von englischen Technikern aufgestellt und vielfach auch von diesen in Betrieb gehalten werden. Selbst bei der Beschaffung von ganz einfachen Teilen wie Schrauben, Muttern usw. war man ganz auf England angewiesen.“
„ Der Maschinenbau wurde vor Redtenbacher noch als eine vorwiegend beschreibende Lehre geübt, der Weg zur Verwertung wissenschaftlicher Grundlagen für die praktische Konstruktion war offenbar von den Lehrenden noch nicht gefunden worden, ja es war unter ihnen vielfach die Meinung verbreitet, Theorie und Konstruktion trennen zu können, ja sogar trennen zu müssen.”
„ War es in seinen maschinenbaulichen Werken die erstmalig betonte Verbindung von Theorie und Praxis, so war es in seinen übrigen die Originalität seiner Gedanken, die Aufsehen erregte.“
„ Er war eine ausgesprochene Pionier-Natur, der es zunächst darauf ankam, in Neuland vorzudringen und es in irgendeiner geeigneten Form auch anderen zu erschließen. Eine mehr systematische Behandlung durfte er anderen überlassen.“
Zitate Karl Lindner TH Graz 1959 zur Biographie:
„Redtenbachers Vaterhaus stand den heimischen Künstlern offen. Es verkehrten darin die Dichter Mayrhofer und Blumauer und vor allem auch Franz Schubert. Steyr, das damals auch den Namen „das Österr. Birmingham“ trug, übte auf den jungen Ferdinand einen doppelten Einfluß aus: Einmal durch die natürliche Anmut seiner landschaftlichen Umgebung und sodann durch seine zahlreichen industriellen Anlagen. Wir erkennen die drei Kräfte: Natur, Technik und Kunst, die in dem aufgeweckten Knaben einen günstigen Nährboden fanden und für seinen ganzen Lebenslauf bestimmend wurden.“
„Die Wiener Studienjahre am Polytechnikum brachten Redtenbacher‘s natürliche Veranlagung bereits zur schönsten Entfaltung. Aus dem schulfeindlichen Knaben von einst war ein wissbegieriger und aufnahmefreudiger Schüler geworden, dem seine damaligen Lehrer, insbesondere Prof. Arzberger für Maschinenlehre und Prof. Ettinghausen für höhere Mathematik (Univ. Wien) die besten Zeugnisse ausstellen konnten.“
„ Die Ferienmonate wurden großteils in der Heimat Steyr verbracht und vielfach zu ausgedehnten Wanderungen mit seinen Vettern und Freunden benützt. Er lebte ein ziemlich tolles, mit kleinen Abenteuern gewürztes Leben, liebte Jagd und Vogelfang und fand auch an dem studentischen Kneipenleben der damaligen Zeit lebhaften Gefallen. Auch zu wissenschaftlicher Betätigung gaben diese Wanderungen Anlass. Redtenbacher führte barometrische Höhenmessungen am Großen Priel (2531 m) und am Watzmann (2714 m)durch, denn diese Gipfel waren nur von Gamsjägern und einzelnen Bergsteigern bezwungen worden.“
„ Das, was ihm in seinen Knabenjahren die Schule nicht geben konnte, suchte er nun aus eigenem zu erwerben. Er befasste sich mit der Literatur seiner Zeit, er las die Schriften Kants und seine Empfänglichkeit für Dichtkunst und Musik führte ihn in die Wiener Theater.
So sehr auch Redtenbacher’s außergewöhnliche Leistungen von den hiezu Berufenen damals schon gewürdigt wurden, bildete die streng bürokratische Verwaltung Österreichs für den aufstrebenden jungen Mann doch ein unüberwindliches Hindernis.“
„ Redtenbacher’s Bruder Josef fand in der „Allgemeinen Zeitung“ eine vom Erziehungsrat in Zürich kundgemachte Stellenausschreibung, betreffend die Professur für angewandte Mathematik an der oberen Industrieschule in Zürich. Redtenbacher griff zu.“
„ Es mutet uns heute tragisch-heiter an, dass Redtenbacher zu diesem Behufe aus Österreich sozusagen hinausgeschmuggelt werden musste. Für den Vertreter eines verdächtigen Berufes, als welchen die freie Wissenschaft damals in Österreich angesehen wurde, wäre ein Pass auf geradem Wege schwer zu erwirken gewesen. So tarnte man also die Ausreise mit der Durchführung einer kaufmännischen Aufgabe und siehe da: so ging es!“
„ Die Lehrtätigkeit in Zürich brachte Redtenbacher bereits vielfach Anerkennung, die 1840 ihren besonderen Ausdruck in seiner Berufung an die Polytechnische Schule zu Karlsruhe fand. Er verlangte, dass ihm die Lehrfächer Mechanik, Allgemeine Theorie der Maschinen, Maschinenlehre und Konstruktion zu übertragen seien. Redtenbacher’s Ansehen war bereits so groß, daß seine Forderungen erfüllt wurden.“
„ Am 24.Dez.1840 erfolgte seine Ernennung zum Professor an der Poytechnischen Schule zu Karlsruhe, an der er nun durch 21 Jahre hindurch, verehrt von seinen Schülern und geschätzt von allen, die ihm nahestanden, tätig war.“
„ Im Jahre 1848 ehrte ihn seine Vaterstadt Steyr durch die Wahl in das deutsche Parlament. Redtenbacher konnte sich nicht entschließen, die Wahl anzunehmen.“