Ferdinand J. Redtenbacher aus Steyr gilt als Begründer des wissenschaftlichen Maschinenbaus. Er befasste sich intensiv mit Kunst, Philosophie und den gesellschaftlichen Auswirkungen der industriellen Kultur.
Ferdinand Jakob Redtenbacher (*25.07.1809 in Steyr, +16.04.1863 in Karlsruhe)
Der 1809 in Steyr geborene Redtenbacher wuchs als Sohn einer geistig und musisch interessierten Kaufmannsfamilie auf. Sowohl die Stadt als Hauptort der österreichischen Eisenverarbeitung als auch das Engagement seines Vaters im Eisenhandel brachten Redtenbacher früh in Berührung mit der beginnenden Industrialisierung und dem sich entwickelnden Maschinenwesen, auch wenn der Beginn seines Lebensweges noch wenig von diesen, sein späteres Leben bestimmenden Momenten geprägt war. Nach der elementaren Schulausbildung absolvierte er als Halbwüchsiger in der Vaterstadt eine Handelslehre, die ihm wie die vorangegangene Schule oft als ein äußerer, den persönlichen Neigungen entgegenstehender Zwang empfunden wurde.
Der Abschluss der Lehrzeit markiert den Beginn einer eigenständigen Lebensgestaltung. Zunächst in den Jahren 1824 und 1825 bei der Baudirektion in Linz als technischer Zeichner beschäftigt, führte Redtenbacher sein in der Lehrzeit begonnenes Selbststudium der Mathematik soweit fort, dass er ab 1825 in Wien am Polytechnikum und auch der Universität studieren konnte. Hier stach Redtenbacher schnell aus dem Kreis seiner Kommilitonen hervor, und auf das Studium folgten vier Jahre am Polytechnikum als Assistent für das Fach Maschinenlehre bei Johannes Arzberger.
Durch seinen unorthodoxen Bildungsgang an einer weiteren Karriere am Wiener Polytechnikum gehindert, nutzte Redtenbacher 1835 die Möglichkeit, an die höhere Abteilung der neueingerichteten Züricher Industrieschule zu wechseln. Die Nähe der dortigen Maschinenbaufirma Escher-Wyss erlaubte ihm, Einblicke in die industrielle Praxis zu nehmen und deren Bedürfnisse zu erfahren. Die Züricher Jahre waren für Redtenbacher deshalb nicht allein ein Zugewinn an Lehrerfahrung, sondern sie verschafften ihm auch einen Schatz praktischen Wissens, der gerade in der nächsten und bedeutendsten Station seines Lebensweges fruchtbar werden sollte – seiner Professur an der Polytechnischen Schule in Karlsruhe.
Die Anstalt hatte 1832 mit der Einführung des Fachschulwesens eine wegweisende Neuordnung erfahren. Dies war ein Schritt weg von der allgemeinen polytechnischen Ausbildung hin zu einer an den universitären Fakultätsbetrieb angelehnten Fachausbildung. Dass diese Entwicklung von Karlsruhe aus auf die Gestaltung der technischen Bildungsanstalten im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus wirkte, kann zu einem wesentlichen Teil Redtenbacher zugeschrieben werden. Zusammen mit dem Chemiker Karl Weltzien erreichte er 1847 die Aufteilung der als ‘Höhere Gewerbeschule’ bezeichneten Fachschule in eine Chemisch-technische und eine Mechanisch-technische. Mit der letzteren erhielt Redtenbacher die Plattform für sein weiteres Wirken.

Die zunächst unter Redtenbachers Mitwirkung und von 1857 bis 1863 unter seinem Direktorat der gesamten Anstalt entwickelte Einheit der in eigenen Abteilungen organisierten Fächer Architektur, Bauingenieurwesen, Chemie, Maschinenbau und Mathematik wurde zum Prototyp der Technischen Hochschule im deutschsprachigen Raum. Zunächst übernommen wurde diese Form bei der Gründung der Polytechnischen Schule in Zürich und dann bei den Reorganisationen der älteren Gründungen in Graz, Prag und Wien.
Untrennbar mit Redtenbachers bildungsorganisatorischem Wirken verbunden ist seine Leistung für die wissenschaftliche Grundlegung des Maschinenbaus. Redtenbacher führte mathematische Berechnungsverfahren ein, die direkt zur Konstruktion von Maschinenteilen genutzt werden konnten. Er vermittelte damit zwischen eher theoretischen Ansätzen in der Lehre und dem vor allem auf praktischer Erfahrung beruhenden Vorgehen der Industrie. Letztlich zielte Redtenbachers wissenschaftliches Bemühen jedoch weiter, bis zur Teilnahme am physikalischen Diskurs über die Grundprinzipien der Natur. Neben Redtenbachers Publikationen verdient ebenso Beachtung die Qualität seiner Lehre. Der begnadete Dozent zog Schüler an mit seinen klaren und ästhetisch bestechenden Tafelbildern, seinen Maschinenmodellen und einem ganz persönlichen, um lautmalerische Inszenierungen des Maschinenbetriebs angereicherten Vortragsstil. Anziehungskraft und Wirkung der von Redtenbacher geformten Schule belegt eine Reihe von illustren Schülernamen, unter ihnen Carl Benz, Franz Reuleaux, Eugen Langen, Oskar Henschel, Emil Skoda und Heinrich v. Buz.
Lebensenergie und Wirksamkeit Redtenbachers sind kaum erklärlich ohne den Rahmen, in den er seine fachlichen Anstrengungen eingeordnet sah. Von Kindheit an mit den jeweils neuen geistigen und politischen Entwicklungen verbunden, sah er das Ingenieurwesen nicht als bloßes Mittel zur Erzielung kurzfristiger Rendite, sondern als Beitrag zu einem Fortschreiten in der menschlichen Entwicklung. Aus dieser Einordnung des zu Redtenbachers Zeit noch weithin außerhalb der Sphäre kultivierten Lebens gesehenen Faches schöpfte er nicht nur persönliche Motivation. Redtenbacher vertrat das Konzept einer Ingenieurausbildung, die neben den Grundlagen des Fachs eine erweiterte Allgemeinbildung in modernen Sprachen, aber auch Geschichte, Literatur und Volkswirtschaft umfassen sollte. Dies war mehr als nur ein Reflex des eigenen Bildungsgangs. Redtenbacher verfolgte das standespolitische Ziel, das allgemeine Ansehen des Ingenieurberufs zu heben, gemäß seinem Kalkül: “Einem Stand der nicht geachtet ist, werden sich nicht leicht Menschen von Talent und edlerer Gesinnung zuwenden.”

Ein Krebsleiden hinderte Redtenbacher ab dem Herbst 1862 an der Fortführung seiner Arbeit und verursachte seinen frühzeitigen Tod im April 1863. So erlebte er nicht mehr, dass seine Lehranstalt wenig später durch ein neues Statut eine hochschulartige Verfassung und den Rang einer “technischen Hochschule” erhielt.
Dr. Klaus Nippert Universität Karlsruhe (TH), 2009